Das Schrankmonster...

Eines Abends, es war so gegen 20:30 Uhr hörte die kleine Lisa ein lautes knarren und ächzen im Schrank. Sofort dachte sie daran was ihr Vater ihr vor einer Woche erzählt hatte, als sie mal wieder ihren kleinen Bruder Tobias geärgert hatte. - Sie hatte Tobias` nigel-nagel-neues Feuerwehrauto weggenommen. (Auch wenn man als 7 ½ jähriges Mädchen nun wirklich nicht mit Jungenspielzeug spielt, machte es dennoch irren Spaß den fünfjährigen Bruder zum weinen zu bringen.) Und weinen konnte er richtig gut! Wenn Lisa darüber nachdachte, war es so ziemlich das einzige, das er richtig gut konnte. Und jedes mal wenn er weinte, kamen Mama oder Papa auch sofort an und jedes mal fühlte sich Lisa schuldig, auch wenn sie nun wirklich nicht der Grund für sein Geschrei war.
Papa hatte ihr letzte Woche erzählt, dass wenn jemand nicht artig sei und seinen kleinen Bruder nicht in Ruhe ließe, dieser von dem Schrankmonster besucht werden würde und was dann geschieht könne er nicht sagen, denn keines der Kinder, die jemals von ihm besucht wurden, konnten sich erinnern. Das einzige was Papa genau wusste, war, dass es ganz bestimmt nicht schön und angenehm sein würde, mit so einem Schrankmonster.
Und nun ächzte und knarrt es in ihrem Schrank! Lisa starrte ganz gebannt den Schrank an, damit sie ja mitbekommt wenn sich die Schranktür bewegt. Wenn die Tür aufging, würde sie ganz furchtbar schnell unter ihre Bettdecke in Deckung gehen. Schließlich konnte das Schrankmonster sie nicht unter der Decke sehen. Und wenn das Schrankmonster sie nicht sieht, wird es ganz schnell wieder verschwinden ohne mit Lisa das machen zu können, woran sich all die anderen Kinder nicht erinnern konnten.
Lisa hoffte Papa oder Mama würden noch einmal nach ihr sehen, damit sie sie bitten konnte, einmal im Schrank nach dem Rechten zu sehen. Aber die beiden waren ja schon da um gute Nacht zu sagen... so ein mist, dachte Lisa und mit ihrer Angst schlief sie unter der Decke ein.

Am nächsten Morgen wurde Lisa durch Tobias` Gebrüll geweckt. Sein Feuerwehrauto war verschwunden und das war schließlich sein Heiligtum. Lisa ging runter zum Frühstückstisch und da saßen Papa und Mama und beiden schauten Lisa an, als wenn sie sagen wollten: Sag schon, wo hast du Tobias` Feuerwehrauto?.- Lisa setze sich hin und trank ihren Kakao, während Tobias immer noch weinend in seinem Zimmer nach dem Feuerwehrauto suchte. Mama stand auf und wollte Tobias beim suchen helfen. Papa beugte sich nun ein wenig zu Lisa und fragte "Sag mal, weißt du wo Tobias sein Feuerwehrauto hat? Du weißt doch noch was ich dir über das Schrankmonster erzählt habe oder?" "Ich weiß nicht wo er es hat! Und das mit dem Schrankmonster, das glaub ich dir nicht!" Lisa war ziemlich böse, das Papa tatsächlich glaubte, sie hätte Tobias das Auto weggenommen. "So, du glaubst es mir also nicht." sagte Papa ein wenig enttäuscht.

Nach dem Frühstück suchten alle noch nach Tobias` Auto, aber sie hatten keinen Erfolg. Tobias hatte dann relativ schnell sein Auto vergessen und hörte sich seine Lieblingskassetten an. Am Nachmittag machten sie zu viert einen Ausflug in den Tierpark und Abends fielen sie alle recht müde und k.o. ins Bett. Lisa lag noch ein wenig wach, und dachte an den Ausflug den sie gemacht hatten, als sie wieder dieses knarren und ächzen aus dem Schrank vernahm. Lisa verkroch sich sofort unter die Decke, diese Taktik hatte ihr gestern auch schon geholfen. Und heute Abend waren Papa und Mama noch nicht gekommen um gute Nacht zu sagen. Das knarren wurde lauter und Lisa fiel ein, dass sie die Schranktüren nicht zu gemacht hat. Wir konnte sie das nur vergessen? Nachdem Papa von dem Schrankmonster erzählte, achtete sie immer sehr genau darauf, dass die Türen geschlossen sind. So konnte ja nichts aus dem Schrank heraus. In dem Moment öffnete sich die Zimmertür und das Knarren im Schrank verstummte sofort.
Mama fragte besorgt ob alles in Ordnung sei. Lisa krabbelte unter der Decke hervor und konnte sofort sehen, dass ihr Vater schmunzelte. Aber sie sagte nichts zu ihrer Mutter sondern meinte nur, es sei kuschliger so ganz unter der Decke.
Mama gab ihr ein Küsschen, wünschte ihr eine gute Nacht und verließ das Zimmer. Sofort sagte Lisa: "Papa, bitte schau im Schrank nach, da kommen immer so komische Geräusche raus.." Lisa zitterte am ganzen Körper und Papa konnte jetzt nicht mehr schmunzeln. Er nahm seine Tochter erst mal ganz fest in den Arm und erklärte ihr das er sich die Geschichte nur ausgedacht hätte... Das alle Väter ihren Kindern solche Geschichten erzählen würden und das im Schrank garantiert kein Monster zu sehen sei. Lisa bestand aber darauf das Papa nachschaut und da musste er ja den Schrank öffnen. Doch er glaubte selber nicht, was er sah...

Er entdeckte eine merkwürdig, schleimig wirkende Figur, ohne Haare und klein war sie obendrein. Sie sah den Menschen sehr ähnlich, aber es war kein Mensch... auf jeden Fall waren Lisa, Papa und das Schrankmonster sehr erschrocken über die Entdeckung. Papa sah auch sofort das Feuerwehrauto von Tobias und noch so einige andere Dinge, die in letzter Zeit einfach verschwunden waren. Das Schrankmonster legte sofort einen seiner kleinen, dicken und ebenfalls schleimig wirkenden Finger auf den Mund um Papa und Lisa anzuhalten, ruhig zu sein, ihn nicht zu verraten.
"Pscht! Verratet mich nicht!" sagte es leise, ängstlich und traurig drein schauend. Lisa, die zuvor eine unglaubliche Angst hatte war nun sehr verwundert, denn so ein Monster schaut doch normalerweise ziemlich böse und gemein!
"Brauchst keine Angst zu haben, aber sag mal, was machst du hier und vor allem, was machst du mit den ganzen Sachen? Wir haben sie schon überall gesucht." meinte Papa.
Das Schrankmonster verkroch sich sofort in die hinterste Ecke und Lisa bekam sofort mitleid "Mensch, Papa, du erschreckst ihn. Lass ihn doch erst mal in Ruhe und besorg ihm ein Schluck Milch." Das half schließlich immer, wenn man nicht schlafen konnte oder etwas zur Beruhigung brauchte.
Papa verließ ziemlich unsicher das Zimmer, denn so was hatte er ja auch noch nicht erlebt. Er war auch sehr überrascht von dem Mut seiner Tochter. Und was blieb ihm anderes übrig, als wie befohlen, die Milch zu holen.

Lisa ging, während Papa unterwegs war, in Richtung Schrank und machte dem Schrankmonster ein wenig Mut sich wieder zu zeigen. "Keine Sorge, mein Papa holt dir jetzt ein Glas Milch und danach fühlst du dich gleich viel besser. Wir tun dir auch bestimmt nichts. Kannst ruhig wieder ein Stückchen hervortreten. So im dunkeln zu sein, ist doch bestimmt nicht schön oder?"
"Nein," sagte das Schrankmonster "aber egal wer mich sieht bekommt Angst vor mir. Ich habe keinen zum Spielen und darum muss ich mir ein paar Dinge von euch, den Menschen, ausleihen. Mir ist sonst zu langweilig. Es gibt nämlich nur ein Schrankmonster auf der ganzen Welt, mich."
"Ich habe keine Angst, wegen deinem Aussehen!" meinte Lisa sofort. "Ich fürchte mich vor dir, weil ich weiß das sich kein Kind erinnern kann, was du mit ihm gemacht hast, wenn Du zu einem gegangen bist. Du bestrafst die Kinder, die böse zu ihren Geschwistern sind. Das du dir Dinge nimmst um damit zu spielen kann ich gut verstehen, so allein wie du bist."
"Aber nein, ich bestrafe doch keine Kinder! Auch nicht, wenn sie böse zu ihren Geschwistern waren. Das haben irgendwann einmal die Eltern erfunden. Sie können sich noch erinnern das ich da war, aber nicht das wir mit einander gespielt haben. Oder vielleicht erinnern sie sich auch daran, aber wollen den Eid, den sie mit mir geschworen haben, nicht brechen."
In dem Moment kam Papa mit der Milch wieder. Das Schrankmonster trank die Milch gern und fühlte sich auch nicht mehr so fremd und ängstlich. Papa ließ die beiden kurz darauf wieder allein, er war müde und Lisa musste ja auch langsam schlafen. Außerdem wusste er, dass das Schrankmonster seiner Lisa nichts tun würde. Woher er das wusste konnte er sich selbst nicht erklären, aber er wusste es.

Lisa und das Schrankmonster unterhielten sich noch sehr lange und Lisa konnte nicht verstehen, das sie sich gefürchtet hatte. Das Schrankmonster war doch so ein liebes und einsames Monsterchen, dass man nur lieb haben konnte.
Es blieb noch ungefähr eine Woche bei Lisa und ihrer Familie, danach musste es sich anderen Kindern widmen. Es musste den Kindern lehren das man sich nicht vor etwas fürchten muss, nur weil es anders aussieht. Und das man Kleinere nicht immer ärgern , sondern ihnen beistehen und ihnen helfen sollte. Doch bevor es ging, musste auch Lisa den Eid schwören, das Monster nie zu verraten. Lisa hielt sich daran und irgendwann begann sie auch zu vergessen, dass das Schrankmonster bei ihr war. Bis sie eines Tages selbst Kinder hatte. Damit diese nicht mehr so viel stritten, erzählte sie ihnen was mit Kindern passierte, die ihre Geschwister ärgerten oder nicht lieb waren und in ihrem Inneren erinnerte sie sich an die Erfahrung mit dem Schrankmonster.

© D. Helleberg